Tipps gegen den Heimkehr-Blues nach dem Work and Travel
Jetzt ist es plötzlich soweit: nach einem oder gleich zwei Jahren Work and Travel in Australien sitzt Du wieder im Flieger nach Hause. Noch erscheint es surreal, zurück nach Deutschland zu kommen; Freunde und Familie wiederzusehen und dorthin zurückzukehren, wo Du herkommst. Doch irgendwie ist Dir mulmig bei dem Gefühl und Du spürst, dass Du ein ganz anderer Mensch bist, der Dinge jetzt anders sieht. Du bist endlich Du selbst geworden und hattest genug Zeit, über Dein altes Leben nachzudenken, was Du aufgegeben hast, um glücklich zu sein. Das mulmige Gefühl trügt nicht, denn viele Reisende haben nach einem Work and Travel Aufenthalt einen heftigen Heimkehr-Blues, wo sich viele Emotionen entladen und viele Dinge nicht mehr so sind, wie sie einmal waren. Vieles wird Erinnerung und die Realität sieht inzwischen ganz anders aus, was einen kurzweilig in ein Loch fallen lässt. Denn im Grunde genommen hat sich Zuhause nicht viel verändert – in Dir aber schon. Ich helfe Dir, Deinen Heimkehr-Blues zu verstehen und trage mit meinen Tipps vielleicht dazu bei, dass Du Dich wieder in Deutschland einleben kannst.
Zurück im Alltagstrott: den Re-Kulturschock überstehen
Einen Kulturschock kannst Du auch genau andersrum erleben: alles, was in der Heimat einst so vertraut war, ist durch lange Abwesenheit fremd geworden. Während des Work and Travel Jahres gab es jeden Tag ein neues Abenteuer, neue Action und unendliche Freiheit. Was morgen ist, das war unklar; denn was zählte, war den Moment zu genießen und einfach nur sorgenfrei zu leben. Zum einen wird sich schnell an dieses Gefühl gewöhnt, zum anderen auch an das Gefühl des jeweiligen Landes, in dem Du ein oder auch zwei Jahre gelebt hast. Fast automatisch passiert es, dass kulturelle Eigenarten und diverse Eigenschaften der fremden Kultur angenommen werden. Begrüßungen, Smalltalk oder Alltagsfloskeln werden schnell in die eigene Persönlichkeit integriert, denn im Work and Travel Jahr möchte etwas Neues erfahren werden und so passiert es ganz automatisch, dass länderspezifische Gepflogenheiten aufgenommen und später selbst angewandt werden. Ich selbst kann mir nach Australien und meiner bisherigen Zeit in England nicht vorstellen, jemanden ohne Hello, how are you? anzusprechen oder gar keinen Smalltalk zu halten. Sogar die oftmals angewandten Koseworte wie my love, my dear und darling kommen mir öfters bei völlig fremden Menschen über die Lippen, als ich wahr haben möchte, da ich mich täglich in Gesellschaft befinde, in der Menschen so mit anderen sprechen.
Im Flieger zurück nach Hause wird erst klar: die Reise ist vorbei. Doch was kommt danach?
Wer dann also wieder in Deutschland ankommt, der fühlt sich automatisch wieder fremd. Als ich nach zwei Jahren zu Besuch in Berlin war, erging es mir ähnlich. Zwar ist dies meine Heimat, trotzdem kamen mir die Eigenarten und der gesellschaftliche Umgang seltsam vor. Die Mentalität und die Gewohnheiten waren mir wirklich fremd geworden und ich fühlte mich, als würde ich nicht mehr dazu gehören. Ich spürte deutlich, wie sehr ich mich verändert hatte – doch das Umfeld war gleich geblieben. Es ist nur menschlich, im Altbekannten auch Langeweile zu finden; und besonders nach einer langen Reise trifft einen das wie ein Schlag. Doch keine Panik: das Ankommen braucht Zeit. Gönne Dir diese auch!
Einen Gang zurückschalten: Zeit für sich selbst nehmen
Nach einem oder zwei Jahren Work and Travel ist viel passiert. Du hast viele Abenteuer erlebt, einen Haufen neuer Menschen kennengelernt, bist über Dich hinausgewachsen und hast Dich selbst gefunden. Du hast Dich so sehr verändert, dass es nicht immer unbedingt sofort merkbar war. Manchmal kommt die Erkenntnis erst nach der Reise; und die trifft Dich dann wie der Schlag – aber positiv! Und weil noch so viel in deinem Kopf herumspukt, was verarbeitet werden muss, rotiert Dein Gehirn 24/7. Das kann anstrengend sein, ist aber völlig normal. Viele Reisende sind nach der Heimkehr erst einmal todmüde, was auch ein Zeichen dafür ist, dass der Geist noch einiges verarbeiten muss.
Nachdem Du das Monument Valley in den USA einmal selbst gesehen hast, wirst Du nicht mehr dieselbe Person sein.
Weil die Gedanken erst einmal woanders festhängen, ist es ratsam, sich auch wirklich Zeit für sich selbst zu nehmen und nicht gleich wieder loszupowern. Direkt wieder in einen Vollzeitjob mit neuer Wohnung einzusteigen, halte ich daher für weniger sinnvoll. Die Reise soll Dir ja auch etwas über Dich und das Leben beigebracht haben; und die volle Wirkung entfaltet sich nur mit Muße, Gelassenheit und Zeit. Sich die Gedankenflüsse gleich wieder mit Job, Wohnung und neuen Sorgen wegzuballern, bringt daher rein gar nichts. Auch wird es schwerer sein, sich auf die neuen Anforderungen zu konzentrieren, da die Reise mit ihren Folgen noch nicht verarbeitet ist. Daher ist es ratsam, mit einem kleinen, finanziellen Polster zurückzukommen oder eine Weile bei den Eltern zu leben, bis der Blues abgeklungen ist und die Erkenntnisse weniger schnell durch Deinen Kopf blitzen. Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Du bist bereit, wenn Du bereit bist – und nicht, wann es andere gern hätten.
Glücksgefühle beibehalten: neue Pläne schmieden
Wer dabei ist, in Ruhe und Muße seine Reise zu verarbeiten, der muss natürlich nicht gänzlich ohne Plan sein. Gegen den Heimkehr-Blues hilft es insbesondere auch, wenn neue Pläne geschmiedet wurden, die der bislang weit entfernten Zukunft einen Rahmen geben. Wer komplett ohne Idee zurück kommt, der wird vom Heimkehr-Blues wohl noch härter getroffen; denn wer nicht weiß, wohin er geht, der landet ganz sicher woanders. Das Gefühl der Verlorenheit in der Heimat wird so noch viel größer, weswegen es ratsam ist, einen groben Plan zu haben. Du möchtest nach dem Work and Travel Jahr studieren? In eine andere Stadt ziehen? Europa bereisen? Arbeiten und dann wieder losziehen? Wunderbar! Diese Wünsche helfen Dir, nicht zu hart in der Realität aufzuklatschen. Wichtig dabei ist nur, dass Du nicht sofort lospowerst, sondern ein paar Wochen dazwischen hast, um anzukommen.
Ruhe und unberührte Natur geben Dir auch in Kanada Kraft, um Veränderungen zu überstehen.
Ich hatte mir für meine neue, alte Sesshaftigkeit, die zwar nicht in Berlin, aber in London passieren würde, fest vorgenommen, meine Blog-Idee zu verwirklichen und mein erstes Buch zu veröffentlichen. Natürlich wollte ich auch Geld für den nächsten Reiseabschnitt verdienen und gleichzeitig in Großbritannien reisen und mal wieder ein Musical sehen. Denn auch, wenn ich nie in London gelebt habe, kann der Alltag einen schnell einholen – und auch hier ist der Alltag eintönig und grau wenn ich nicht etwas dagegen tue. Doch weil ich einen Plan hatte, bin ich sanft gelandet und konnte über diverse Dinge hinwegsehen, die mich jetzt wieder einholten, welche aber auch die Gründe waren, warum ich mein altes Leben in Deutschland aufgegeben habe. Das Hamsterrad zum Beispiel. Viel zu viel Arbeit und keine Work-Life-Balance. Diese ist in Großbritannien noch schwerer zu erreichen als in Deutschland; doch weil ich wusste, dass ich das ganze nur einen bestimmten Zeitraum mache, war es akzeptabel und ich lernte, auch im tristen Alltag halbwegs glücklich zu sein. Ich fand all die bunten Farben um mich selbst dort zu bemalen, wo die Welt mich grau gelassen hatte.
Loslassen können: veränderte Freundschaften akzeptieren
Wer länger weg ist, der stellt leider bei der Rückkehr nach Hause fest, dass einige Freundschaften im Sterben liegen oder schon zerbrochen sind. Oft kommen Dir die anderen so vor, als hätten sie sich total verändert – dabei hast Du Dich lediglich verändert. Zuhause ist meist alles beim Alten und auch im Freundeskreis ist innerhalb der Reise-Zeitspanne wenig passiert. Doch wenn Du Dich veränderst und die anderen nicht oder nur wenig, dann knatscht es ab und ab in Freundschaften. Manchmal passt es einfach nicht mehr und Begegnungen mit einst vertrauten Menschen werden fremd und seltsam. Was Dir vielleicht auch vor den Kopf stößt ist die Tatsache, dass viele gar nichts mit Deiner Reise und den Veränderungen anfangen können, weswegen das Interesse an vielen Reiseberichten, Fotos und innerlichen Entwicklungen eher gering ausfällt. Das ist auch gar nicht böse gemeint, doch liegt es einfach nicht im Horizont der Daheimgebliebenen. Nach einem kurzen Plausch ist das Thema dann auch erledigt, obwohl es für Dich noch monatelang so weitergehen könnte.
Ein Lebenstraum vieler Work and Traveller: einmal vor dem Opernhaus in Sydney stehen.
Ich habe im Laufe der Weltreise, die zu meinem zeitlich unbegrenzt rund um die Welt leben und arbeiten geworden ist, viele Leute verloren. Fast all meine Bekannten wurden Unbekannte, falsche und toxische Menschen offenbarten mir ihr wahres Gesicht und einige Freundschaften zerbrachen, weil ich erkannte, dass ich die einzige Person war, die Kraft und Pflege in diese Beziehunen gesteckt hatte. Einige Freunde waren auch so sehr das Gegenteil von mir geworden, dass es schwer wurde, sich in zwei verschiedenen Lebenswelten zu unterhalten. Der viele Verlust tat mir am Anfang sehr weh, doch während ich im Laufe der Reise mehr und mehr zu mir selbst kam und in meiner Vipassana lernte, Veränderungen zu akzeptieren, wurde es besser. Ich fand es schade, so viele Menschen gehen zu sehen, doch war es auch eine Erleichterung, denn nun umgebe ich mich ausschließlich mit meinen wahren Freunden, die immer für mich da waren und es immer sein werden. Mein Freundeskreis wurde kleiner, doch die, die blieben, zeigten mir die Loyalität und Liebe, die ich immer in andere investiert hatte.
Das Reisegefühl aufrecht erhalten: Kontakt halten und losziehen
Während des Work and Travel Jahrs sind alle Weltentdecker*innen und saugen die Umgebung akribisch auf. Wenn Du zurück in Deutschland bist, wirst Du feststellen, dass Du die Umgebung mit einem anderen Blick siehst. Viele Kleinigkeiten werden erst jetzt sichtbar und offenbaren, dass es auch Zuhause Ecken gibt, die Du wahrscheinlich noch gar nicht kanntest. Dieses Gefühl kannst Du nutzen und einfach ein bisschen in Deutschland umherreisen. Deutsche Reiseziele sind nicht weit entfernt, erfordern wenig Planungsarbeit im Gegensatz zum nächsten Euro-Trip und erleichtern Dir den Wiedereinstieg, da die Deutsche Kultur trotz ihrer kleinen, regionalen Unterschiede irgendwie doch einheitlich ist. Es gibt so viele schöne Ecken, die auch in Deutschland besichtigt werden wollen! Für mich sind das beispielsweise Heidelberg, Lübeck, die sächsische Schweiz und auch das Schloss Neuschwanstein.
Auch hilft es, in der Anfangszeit Kontakt zu Mitreisenden und Freunden in Übersee zu halten. Das stärkt nicht nur die Freundschaften, sondern hilft auch beim Verarbeiten. Zusammen in Erinnerungen schwelgen und weißt Du noch’s zu rekapitulieren, bringt das schöne Gefühl zurück und ordnet die Gedanken. Mit Deinen ehemaligen Travelmates und Locals abroad kannst Du auch über Deine Startschwierigkeiten, Sorgen und Ängste in der neuen, alten Heimat sprechen, denn gerade Deine früheren Mitreisenden werden Dich verstehen können. Und wie oft Du auch darüber sprichst: das Thema Reise wird mit ihnen niemals müde. Mit Deinen neuen Freunden in anderen Ländern kannst Du auch schon das nächste Wiedersehen planen: vielleicht triffst Du sie auf einem Festival, in einem anderen Land oder sie kommen Dich besuchen? Klasse! Das alles wird Dir helfen, ein bisschen sanfter zu landen.
Hattest Du auch einen Heimkehr-Blues nach Deinem Work and Travel Jahr?
Deine
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