Ein altes Fotoalbum auf dem Tisch (Pixabay).

Oft wurde ich gefragt, woher ich all das Geld für meine Reisen und Erlebnisse immer hatte. Warum ich vieles von den Dingen schon erlebt habe, die andere ihr Leben lang erleben wollten, es aber nie erlebt haben. Meine Antwort ist: weil ich mein Geld seit ich denken kann in Reisen und Erlebnisse investiere, nicht aber in Dinge. Ich habe mir nie das neuste Handy gekauft, bin nie mit der Mode gegangen und habe mir nie irgendwelchen Unsinn für die Wohnung gekauft, den ich sowieso direkt nach dem Kauf vergessen hätte. Ich war und bin so fixiert auf Erlebnisse, dass ich sogar auch nie den Coffee-To-Go-Hype mitgemacht habe, mir selbst eine Stulle mitgenommen habe statt in der Uni-Mensa zu essen und sinnlose Spontankäufe immer vermieden habe. Noch heute bin ich sehr streng, was das Geld ausgeben angeht. Denn wenn ich eines im Leben gelernt habe dann ist es das, dass Materielles mich nie glücklich gemacht hat – Erlebnisse aber immer. Sogar dann, wenn sie schlecht waren!

Materielle Dinge können die Leere nicht füllen

Viele Leute – besonders hier in London – geben Unmengen von Geld für Dinge aus. Hierbei geht es nicht immer nur um die teure Handtasche, den Sportwagen oder die Luxusuhr, sondern um „normalen“ Konsum. Viele meiner Arbeitskollegen:innen haben ständig bei Asos oder Shein Klamotten bestellt, brauchten ständig ein neues Handy oder eine neue Ausrüstung für das Gym. Ich verstehe, dass wir uns auch etwas gönnen möchten, weil wir es in der ersten Welt können und auch so gelernt haben. Doch verstehe ich nicht, wieso diese Dinge immer sofort ersetzt werden müssen, wenn sie nicht einmal kaputt sind. Ich kaufe mir Dinge nur dann, wenn ich sie brauche und dann auch nur einmal und in guter Qualität. Dies kostet mehr, jedoch habe ich auch ewig etwas davon, da ich meine wenigen Dinge hege und pflege. Dass einige meiner Klamotten über zehn Jahre, meine Kamera über fünf Jahre oder mein Laptop drei Jahre alt ist, ist für mich kein Grund, diese zu erneuern. Ich folge keinen Modetrends und kaufe mir nur die Klamotten, die meinem eigenen Stil entsprechen. Mir ist egal, ob ich damit „out“ bin. Auch bin ich keine Impulskäuferin oder Horderin von sinnlosem Zeug: ich kaufe weder zu viele Pflegeprodukte bei DM ein, noch habe ich Schubladen und Schränke voller Gadgets, an die ich mich gar nicht erinnern kann. Alles, was ich in meiner Wohnung habe, benutze ich auch. Das, was ich nicht mehr benutzt habe, habe ich gespendet – aber nicht nachgekauft. Minimalismus ist das Zauberwort.

Eine Frau mit Shoppingbags (Pixabay).

Materielle Dinge können keine Leere füllen und auch kein permanentes Glücksgefühl oder Erinnerungen kreieren. Oder erinnerst Du Dich noch an deine Babykleidung, deine Federmappe aus der Oberstufe oder das exakte Handymodell, welches Du mit 23 Jahren besessen hast? Richtig: wohl kaum. Es kommt zwar vor, dass wir uns emotional an Gegenstände binden, doch hast Du Dich mal gefragt, warum das so ist? Weil wir mit bestimmten materiellen Dingen Menschen in Verbindung bringen, und somit auch Erinnerungen an Erlebnisse. Das alte Parfum erinnert mich an meine Zeit in Afrika und Südamerika. Meine Winterschuhe erinnern mich an meine Erlebnisse in der Antarktis, wo ich diese getragen habe. Meine Irish-Coffee-Fudge-Dose, wo ich meine Supplements drin aufbewahre, erinnert mich an ein geiles Wochenende in Dublin. Du siehst also: es geht einfach um Erinnerungen. Denn an meine Antarktis-Kreuzfahrt werde ich mich auch noch erinnern, wenn die Winterstiefel alt, kaputt und für den Müll sind. Tote Gegenstände verlieren schnell an Wert und Du kannst sie nicht mit in Dein Grab nehmen. Erinnerungen aber schon, denn sie begleiten Dich auf Deinem letzten Weg in die Ewigkeit.

Ich habe in einem spirituellen Heilungsseminar auf dem Boom Festival 2018 in Portugal übrigens mal eine Frage gestellt bekommen, die ich nie wieder vergessen habe: was bleibt von Dir übrig, wenn Du alle materiellen Dinge verlieren würdest?

Eine Box mit Sachen zu verschenken vor einem Zaun (Pixabay).

Erlebnisse prägen und festigen Deinen Charakter

Wenn ich auf meine Jugend und meine Goldenen Zwanziger zurückblicke, dann würde ich mich als „frei, wild und hemmungslos“ bezeichnen. Ich habe wild gefeiert und mich in guter Berliner Manier danebenbenommen – natürlich ohne jemandem Schaden zuzufügen und im Rahmen meiner eigenen ethischen Werte. Und auch, wenn viele Erlebnisse etwas krass gewesen sind, habe ich nie irgendetwas bereut. Ich habe ordentlich auf den Putz gehauen und meine Zwanziger in die Bezeichnung „goldene Zwanziger“ eingebettet. Selbst auf schlechte Erfahrungen blicke ich mit Dankbarkeit zurück, denn schlechte Erfahrungen sind allemal besser als gar keine. Für mich war es schon früher immer wichtig, alles zu erleben und auch schon anzufangen, Dinge von der Bucketlist zu streichen. Ich wollte immer etwas Neues ausprobieren und habe davor auch bis heute keine Angst. Außer vielleicht vorm Fallschirmspringen, da ich schreckliche Höhenangst habe. Trotzdem gehe ich im November in Kapstadt Fallschirmspringen. Denn weißt Du warum? Weil ich nur die Dinge bereue, die ich nicht getan habe. Und ich glaube, so geht es den meisten Menschen.

Die größten Auswirkungen auf meine Persönlichkeit und mein Leben hatte dann tatsächlich die Erfüllung meines größten Lebenstraumes: meine erste Weltreise. Ich habe so viele Dinge erlebt, so viele Menschen getroffen, so viele Orte besucht. Ich habe meine Komfortzone verlassen, mich Ängsten gestellt und einfach „ja“ zu fast allem gesagt. Ich bin Klippen ins Meer hinuntergesprungen, habe Mönche besucht, Vogelspinnen gegessen (ja, ich bin trotzdem immer noch Vegetarierin), war Wildwasser-Raften, Ziplinen, klettern trotz Höhenangst, habe LSD auf dem Boom Festival geschmissen, bin spontan nach London gezogen, habe mich auf Beziehungen zu einem Thai-Briten und zu einem Südafrikaner eingelassen, habe eine neue Karriere begonnen und und und. Wenn ich auf die letzten sechs Jahre zurückblicke, habe ich nur schöne Bilder vor Augen. Und nicht nur das: wenn ich mich erinnere, dann klopft mein Herz ganz besonders doll. Und wenn ich die alten Bilder sehe fällt mir immer wieder auf, dass ich auf jedem einzelnen Bild über beide Ohren strahle wie Britney Spears auf jedem Bild bis 2007. Das war es mir sowas von wert! Denn materielle Dinge können keinen neuen Menschen aus uns machen – nur Erlebnisse können es. Unser Charakter ist die Summe aller Erlebnisse, nicht aller toten Güter, die wir angehäuft haben.

Ein Motocrossfahrer macht einen Sprung (Pixabay).

Vorfreude alleine macht schon glücklich

Wenn ich überlege, wie sehr ich mich auf meine Weltreise gefreut habe, werde ich heute in der Rückschau noch ganz verzückt. Mein Herz pochte wie verrückt, meine Wangen wurden rosig, mein Blick romantisch und meine Knie ganz weich. Gott, war ich aufgeregt! Doch so ist es mir eigentlich immer gegangen, wenn ich mich auf Erlebnisse gefreut habe – sei es Rock am Ring 2014, den Auszug in meine erste Wohnung 2009 oder den ersten Flug nach der Coronapandemie. Ich habe mich immer mega über das gefreut, was kommt und jedes Mal, wenn ich daran gedacht habe, bin ich wirklich in Ekstase geraten und so ist das heute auch noch.

Natürlich kannst Du Dich auch auf das nächste iPhone freuen, jedoch schlägt dies bei materiellen Dingen meist immer in Ungeduld und Stress um, da Du für Materielles auch in der Regel immer hart arbeiten musst. Ein Monat im Hamsterrad ist so anstrengend, dass wir eigentlich am Ende noch strenger mit unserem Geld umgehen sollten, denn 40 Stunden für jemand anderen zu arbeiten, ist einfach echt eine harte Aufgabe! Wir bewegen im Rahmen des Arbeitsvertrages Welten, während wir für uns selbst kaum etwas erfüllen können. Dann kommt der Paycheck und Boom: nach den Fixkosten wird das Geld sofort für teure Gegenstände verplempert, die nach spätestens zwei Wochen schon so normal geworden sind, dass sie belanglos werden können. Und wenn ich mir überlege, wie anstrengend arbeiten ist, frage ich mich immer, ob es das wert war. Der ganze Stress um mir noch mehr Stress ins Haus zu holen? Nein danke. Wenn ich das Geld aber in ein Erlebnis oder eine Reise investiere, dann investiere ich nicht nur in Erfahrungen und Glückseligkeit, sondern auch in Erinnerungen. Und um diese geht es, wenn wir auf dem Sterbebett liegen.

Frau auf dem Sofa freut sich (Pixabay).

Was Sterbende bereuen

Du hast bestimmt auch schon von den fünf Dingen gehört, die Sterbende am meisten bereuen, oder? „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet“, „Ich wünschte ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben und nicht das, was andere mir aufzwingen wollten“, „Ich wünschte, ich hätte meine Gefühle mehr geäußert“, „Ich wünschte, ich hätte mich besser um meine Freunde gekümmert“ und „Ich wünschte, ich hätte mir selbst erlaubt, glücklicher zu sein“.  Niemand hat es bereut, keine Rolex gekauft zu haben. Oder diese eine super Jacke aus der Saison von 2019. Oder die schicken Gartenmöbel, die dann doch zu teuer waren. All diese Dinge sind völlig egal – Menschen geht es beim Sterben um die Summe Ihrer Lebenserfahrungen und Erlebnisse und um zwischenmenschliche Begegnungen.

Ich habe immer versucht, nach diesen Leitsätzen zu leben und ich glaube, dass unsere gesamte Generation es tut. Heute geht es uns – im Gegensatz zu unseren Eltern – nicht mehr um materiellen Wert (Eigentum können wir uns zum Beispiel sowieso nicht oder nur noch vereinzelt leisten), sondern um Erfahrungen. Die Angst, vor dem Tod nicht gelebt zu haben, ist allgegenwärtig und wird oft mit „Fomo“ (Fear of missing out) beschrieben. Ich lebe seit Jahrzehnten nach diesen Maximen und deswegen kann mich auch nichts aufhalten. Aktuell wechsele ich meinen Job, um noch bessere Konditionen zu haben, doch auch das wird mich nicht aufhalten, irgendwann den UK zu verlassen. Ich will zurück nach Berlin und vorher noch sechs Monate backpacken, um weitere Erlebnisse von meiner Bucketlist abzuhaken. Ich möchte mir andere Herzensträume erfüllen, die ich mir hier nicht erfüllen kann. Und trotz eines guten Einkommens, einer schönen WG und einem tollen Freundeskreis werde ich irgendwann bald meine Koffer packen und meinem Herzen folgen. Denn wenn ich alt bin, möchte ich alle jungen Menschen mit meinen Erfahrungen und Erzählungen dazu inspirieren, Dinge einfach zu tun. Denn wie gesagt: die Summe Deiner Erlebnisse wird bestimmen, wie glücklich Du im Alter sein wirst. Denn wer alt, krank und gebrechlich ist, der sitzt am besten entspannt im Schaukelstuhl und lebt von seinen Erinnerungen in seinem Herzen, in Bildern und in Emotionen – nicht in Hätte-Hätte-Fahrradkette.

Auf welche Erlebnisse schaust Du heute noch gerne zurück?

Deine

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