Work and Travel oder Weltreise im Lebenslauf: Lücke oder Chance?
Nach dem Studium oder nach der Schule ins Ausland zu gehen, ist heute zum Glück ganz normal geworden. Es wird immer seltener, dass Absolventen*innen direkt von Schule ins Studium oder Ausbildung bis in den Job übergehen – und das ist auch gut so! Denn eine Auszeit in Form einer längeren Reise ist nicht nur wunderschön und macht glücklich, sondern bringt jeden von uns im Leben weiter. Die meisten entscheiden sich für ein Work and Travel Jahr, was oftmals in Australien oder Neuseeland stattfindet. Doch wie wird ein Work and Travel Jahr heute im Lebenslauf angesehen? Was sagen Arbeitgeber dazu und welchen Stellenwert hat ein Auslandsjahr heute? Ob es eine Lücke, oder eine Chance sein kann, habe ich in diesem Artikel für Dich untersucht.
Ist das Auslandsjahr eine Lücke im Lebenslauf?
Früher war ein Auslandsjahr eher ungewöhnlich und wurde im Lebenslauf kritisch beäugt. Oftmals standen die Gedanken dahinter, der*die Reisende*r wollten eine Weile vor der Realität entfliehen und sich vor dem Leben und der Arbeit drücken. Früher wurde nicht verstanden, warum Menschen freiwillig ihre Heimat verlassen, um länger als zwei Wochen am Strand zu liegen und All Inklusive zu genießen. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass die Menschen, die damals Chefs waren, das einfach selbst nicht kannten, denn damals war es nicht leicht, einfach so zu reisen. Es war weder üblich noch so günstig wie heute – und was unbekannt ist, wird in Deutschland leider erstmal skeptisch beäugt und angezweifelt.
Doch da inzwischen klar ist, dass Menschen nicht alle gradlinig und gleich durch das Leben gehen, hat sich der Stellenwert eines Auslandsaufenthaltes verändert. Ein Work and Travel Jahr oder eine Weltreise sind heute keine Lücken mehr, die den Ruf und die Karriere irreparabel zerstören, sondern schon praktisch eine Pflicht. Auslandspraktika, Auslandssemester und Schüleraustausche sind heute so normal wie vegetarischer Aufschnitt im Supermarkt. Denn Chefs haben erkannt, dass Menschen, die im Ausland waren, geballte Kompetenzen in kurzer Zeit angehäuft haben, die wichtig und notwendig für einen Job und auch die Karriere sind. Um welche es sich handelt, erkläre ich im Verlauf dieses Artikels.
Der Abschluss ist geschafft: endlich kannst Du eine Pause machen und losreisen!
Gibt es auch negative Reaktionen auf ein Auslandsjahr?
Ja, leider gibt es noch vereinzelt negative Reaktionen und verblüffte Gesichter. Was also tun, wenn eine Firma negativ auf Deinen Auslandsaufenthalt reagiert? Ganz einfach: dann ist diese Firma nicht Deine Zukunft, denn wer im Jahr 2017 nicht anerkennt, dass Menschen sich durch Reisen mehr weiterbilden, als 75 Jahre daheim zu bleiben, der lebt in der Vergangenheit und wird Dir auch in Zukunft Steine in den Weg legen, wenn Du persönlich wachsen und Dich verbessern willst. Firmen, die Auslandserfahrung als unnötigen Spaß abstempeln, werden auch kein Verständnis haben, wenn Du mehr als zwei Wochen Urlaub am Stück haben oder besondere Ereignisse miterleben willst. Eine Chefin einer Bekannten hatte ihr tatsächlich verboten, zur Taufe ihres Enkelkindes zu gehen, weil sie dies nicht als wichtig ansah, dafür einen Urlaubstag zu vergeben. Natürlich hat sie sich meine Bekannte dann krank gemeldet und ist trotzdem gegangen, aber solche Fehlentscheidungen gehen mit der Ansicht, dass Auslandsaufenthalte sinnloses Vergnügen sind, Hand in Hand.
Menschen, die sich gegen längeres Reisen aussprechen oder Dich verblüfft dafür anstarren, hatten zum einen vielleicht selbst keine Chance, zum anderen vielleicht gar nicht dran gedacht. In Deutschland ist der Druck, einem vorgefertigten Lebenslauf zu entsprechen, noch relativ hoch und Menschen macht es Angst, wenn sie sich dagegen entscheiden und ihr eigenes Ding machen – denn alle anderen werden gucken und urteilen. Vermutlich führt dieser Druck zu unmenschlichen Fehlentscheidungen wie im Falle meiner Bekannten mit ihrem Enkelkind, denn die erst 25-jährige Chefin selbst hatte von Schule bis zum Job eiskalt und in Regelzeit durchgezogen und keinerlei Reise- oder Lebenserfahrung gesammelt, die ihr hätte vermitteln können, dass das Leben nicht nur aus Arbeit und Pflichten besteht.
Mut zur Lücke: Die Soft Skills, die Du auf Reisen entwickelst, bringen dir klare Vorteile im Berufsleben.
Warum ist das Auslandsjahr eine Chance?
Ein Jahr im Ausland – ganz egal in welcher Form – ist heute eine große Qualifikation, die sich in die Kategorie der interkulturellen Kompetenzen einreiht. Es ist natürlich wichtig, auch die notwendigen akademischen Voraussetzungen des jeweiligen Jobs zu erfüllen, doch auch die sogenannten Soft Skills sind inzwischen wichtig geworden, denn das zeigt, dass Du auch über Deine schulische oder akademische Laufbahn hinaus gebildet bist. Und das geht eben nur durch das Leben oder eine Reise. Da die Welt mehr und mehr globalisiert ist, ist es von Vorteil, wenn Du im Ausland warst, denn das zeigt, dass Du nicht nur Interesse an anderen Kulturen hast, sondern Dich auch darin zurechtfinden kannst.
Soft Skills, die Du auf Reisen sammelst, sind beispielsweise organisatorische Fähigkeiten, finanzielle Planung, der Umgang mit ungeplanten Situationen, die dich herausfordern, oder Leben in einer anderen Kultur. Egal, ob Work and Travel oder Weltreise, planen und organisieren musst Du eine ganze Menge. Das zeigt Deinem zukünftigen Chef, dass Du neuen Herausforderungen gewachsen bist und Dich selbst verwalten kannst. Du hast es geschafft, im Ausland ein Bankkonto zu eröffnen, einen Job zu finden und weißt, wie Du eine Wohnung anmietest? Klasse! Damit beweist Du neben Fremdsprachenkenntnissen, dass Du ebenfalls länderspezifisches Know-How angesammelt hast, denn je nach Land ist selbst die Eröffnung eines Bankkontos mit Hürden verbunden.
Du wirst an Organisation, Hindernissen und dem Gefühl, glücklich zu sein, über Dich hinaus wachsen!
Auch finanziell bist Du jetzt auf eigene Beine gestellt und zeigst mit der Länge Deines Auslandsaufenthaltes, dass Du Deine Finanzen verwalten kannst und durch Arbeit vor Ort unabhängig bist. Du lernst, Schwierigkeiten in einem fremden Land in einer anderen Sprache ohne Hilfe zu bewältigen und zeigst damit Durchhaltevermögen, Flexibilität und die Stärke, an Problemen zu wachsen. Und während Du an Problemen wächst, lernst Du ebenfalls, gelassen gegenüber dem Leben und Dingen zu sein, die passieren. Nur wenige Probleme legen Dir Stolpersteine bis ins hohe Alter. Mit Deinem Auslandsaufenthalt demonstrierst Du Chefs in Spe ebenfalls mit Deiner Weltoffenheit und Deiner Fähigkeit, Dich an ein fremdes Land mit seinen Gegebenheiten anzupassen.
Und auch das persönliche Wachstum sei nicht unkommentiert, denn wenn Du erlebst, dass Du Dir einen großen Traum selbst erfüllt hast, bist Du nicht nur super stolz auf Dich selbst, sondern lernst, dass Du Dich auf Dich verlassen kannst und dass Du alles schaffen kannst, was Du nur möchtest. Durch Verzicht auf bestimmte Dinge, die Zuhause normal waren, wie zum Beispiel einem Zimmer mit Privatsphäre oder pünktlichen Nahverkehr wirst Du ebenso wachsen wie an Deiner Euphorie und Faszination für die Länder, die Du bereist. Das Gefühl der Dankbarkeit für jeden Augenblick ist eines der intensivsten Gefühle, die ich jemals verspürt habe. All diese Faktoren machen Dich zu einem Juwel für jegliche Firmen – verkaufe Dich nicht unter Wert!
Von wegen Lücke: egal was für eine Reise es ist, sie ist eine hervorragende Qualifikation!
Wie nutze ich das Auslandsjahr als Qualifikation?
Der wichtigste Tipp für den Einbau des Auslandsaufenthaltes im Lebenslauf ist die Hervorhebung der erlangten Soft Skills. Dabei solltest Du darauf achten, dich professionell und gebildet auszudrücken, selbst, wenn Du ein Jahr auf Weltreise nur gefeiert hast, was Dir ebenso viel bringen kann wie eine normale Reise oder Work and Travel. Erwähne in kurzen Worten, welche Kenntnisse Du erworben hast und inwieweit die Firma davon profitieren kann. Ich habe, bevor ich 2015 zu meiner Dauerreise aufgebrochen bin, selbst meine intensive, private Reisezeit von 2004 bis 2014 mit den Worten Bildungsreisen vermarktet, was Anklang in Bewerbungsgesprächen gefunden hat. Ich erklärte in einigen kurzen Stichworten unter dem Punkt im Lebenslauf, was ich von den jeweiligen Reisen gelernt hatte, beispielsweise Maximierung organisatorischer Fähigkeiten, hohe Frustrationstoleranz, Entscheidungsfreude oder auch verhandlungssichere und fließende Englischkenntnisse. Wichtig ist, alles gut zu verpacken, denn egal wo und wie Du gereist bist, Du wirst für immer etwas davon haben.
Wie waren Deine Erfahrungen zum Jobeinstieg nach dem Work and Travel?
Deine
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Bildquelle: Alle Bilder aus diesem Artikel stammen von Pixabay.
Ria
Hi Jacqui,
toller Artikel! Den sollten so einige Unternehmen auch mal lesen 😉 Ich glaube in vielen Köpfen wird das Wort „Reisen“ noch mit Pauschalurlaub, am Strand liegen etc. verbunden. Aber das ist es ja schon lange nicht mehr und erst recht nicht bei den jüngeren Leuten. Und ich kann das aus meinen persönlichen Erfahrungen nur bestätigten, dass ich ohne das viele Reisen einige Fähigkeiten heute nicht hätte. Reisen bildet halt ungemein, auch unterbewusst.
Liebe Grüße
Ria
Polly
Hi Ria, danke für das Kompliment, ich freue mich! Ich stimme dir voll zu, viele (insbesondere ältere) Menschen glauben immer noch, Reisen sei Pauschalurlaub, teuer und bei jungen Leuten oft mit Saufen verbunden. Gerade die Freundin meines Vaters (Mitte 70) hat lange nicht geschnallt, dass ich keinen Partyurlaub mache, obwohl ich immer klar kommuniziert habe, was ich auf Reisen mache… Auch mein Vater brauchte glaube ich ein bisschen, denn er fand es merkwürdig, dass ich seit Reisebeginn 2015 immer schon vor oder um 8Uhr auf den Beinen war – klar, ich will doch die Welt sehen und nicht ausschlafen! 😉 Mir haben Reisen auch unglaublich viel gebracht. Ich habe so viele Fähigkeiten in kurzer Zeit erlernt und ich lerne kontinuierlich. Das werden auch irgendwann alle Bosse verstehen! Liebe Grüße, Polly