Im Jahr 2012 war ich das erste Mal allein auf Reisen: es ging nach Budapest in Ungarn. Zunächst war mir etwas mulmig zumute, weil ich mich komplett meiner selbst aussetzte und alles allein plante, doch dann entpuppte sich der Trip als einer der lehrreichsten und besten Europatrips überhaupt. Heute kommt es mir gar nicht seltsam vor, allein zu reisen und auch heute sitze ich allein in Bolivien, während ich diese Zeilen tippe. Dies ist mit viereinhalb Monaten meine längste Alleinreise und ich könnte nicht zufriedener sein, denn so viel ist in meinem Kopf passiert! Der Trend geht heutzutage tatsächlich zum Alleinreisen, wie eine Umfrage von Skyscanner aus dem Jahr 2016 beweist: acht von zehn Deutschen waren bereits allein unterwegs und es werten immer mehr! Die Motive für das Alleinreisen sind hierbei ganz unterschiedlich: zum einen geht es fast 80% der Befragten darum, komplett frei zu sein und tun und lassen zu können, was sie wollen; zum anderen geht es mit 30% darum, sich selbst und der Welt ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren (gerade bei alleinreisenden Frauen) und ganz sicher spielt auch der Faktor eine Rolle, dass nicht immer geeignete Reisepartner*innen gefunden werden, da verschiedene Menschen verschiedene Prioritäten haben. Ich bin damals auch allein losgezogen, weil niemand Geld für die Reisen sparen konnte, auf welche sie aber theoretisch alle mitwollten.  Wie Du vom Alleinreisen profitierst und warum ich jedem empfehle, dies mindestens einmal im Leben zu tun, erfährst Du in diesem Artikel.

1. Grenzenlose Freiheit und Abenteuer ohne Kompromisse

Der wohl größte Pluspunkt beim Alleinreisen ist, dass Du wirklich komplett frei bist und nur nach Deinen eigenen Regeln spielen musst. Du kannst alles eigenständig planen, aber auch wieder nach Lust und Laune abändern. Heute hast Du Lust auf Sightseeing und morgen liest Du lieber ein Buch in der Hängematte? Kein Problem, denn Du kannst tun und lassen, was Du willst. Wie schon erwähnt, ist die aktuelle Reise mit viereinhalb Monaten die längste Soloreise, die ich je unternommen habe. Und ich habe es so genossen, täglich einfach das zu machen, worauf ich Lust hatte. Mal bin ich um 5:00 Uhr aufgestanden, mal bin ich um 20:00Uhr ins Bett gegangen. An anderen Tagen habe ich bis in die Puppen gepennt oder war erst um 3:00Uhr im Bett. Mal habe ich gekocht, mal war ich im Restaurant. Mal war ich beim Sightseeing und habe dann gemerkt, dass ich lieber mit einem Eiskaffee mein Buch lesen und nicht weiter rumlaufen möchte. Mal bin ich ganz schnell von Ort zu Ort gehüpft, mal eine Woche an einem Ort geblieben, um an meinem inneren Wachstum zu arbeiten.

Grenzenlose Freiheit als größtes Feature des Alleinreisens.

bin frei, so unendlich frei, wenn ich alleine reise. Ich bin selbstbestimmt und muss nur Kompromisse mit meinen eigenen Werten und meinem eigenen Geldbeutel machen. Schön ist auch, dass ich theoretisch keine Pläne machen muss und mich einfach treiben lassen kann. So habe ich beispielsweise tolle Reisegefährten kennengelernt, die Freunde geworden sind und eine Woche mit mir gereist sind. Ich habe einfach ja gesagt und nicht gezögert, sondern mich dem ungeplanten Abenteuer hingegeben. Für mich war es sehr lehrreich und heilsam, den Fokus nur auf mich zu richten. Auch, wenn ich meinen Partner und meine Freunde liebe und diese gern einbeziehe, war diese kompromisslose Zeit genau das, was ich für meine Erholung und für mein Wachstum brauchte.

2. Me Time: Alleinsein als größte Herausforderung

…die so unglaublich wohltuend sein kann. Aufgrund meiner persönlichen Geschichte war ich schon früh mit dem Thema Alleinsein konfrontiert und daher weiß ich, wie angsteinflößend und krass es ist, sich selbst völlig schutzlos ausgeliefert zu sein. Denn die Stille ist nicht still, sie schreit Dir die Wahrheit ins Gesicht und es dauert Jahre, bis die Kunst des Alleinseins gemeistert ist, da wir uns erst selbst akzeptieren und lieben lernen müssen. Dies ist ein Prozess, der wiederum nur durch das Alleinsein erreicht werden kann. Denn wenn wir die Geräusche der Welt ausschalten und nur in uns hineinhorchen, dann eröffnet sich uns nicht nur eine ganz andere Welt, sondern die Wahrheit über uns selbst. Me Time ist nicht nur augenöffnend, sondern auch für die Entwicklung zwingend notwendig.

Alleinsein ist ein wichtiger Baustein der menschlichen Entwicklung.

Oft werde ich mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Menschen, die viel Reisen nur weglaufen wollen und ich kann nur müde den Kopf schütteln. Wer in seiner gewohnten Umgebung in der Tretmühle steckt, also 40 Stunden arbeiten geht oder studiert, nebenbei Sport macht oder mit Freunden unterwegs ist, der befindet sich in einem Alltagstrott, der betäubt. Da ich immer auf Achse bin, immer etwas zu tun habe und ich mich nebenbei perfekt mit Alkohol betäuben kann, bin ich im Alltag so weit von mir entfernt, dass ich mich irgendwann selbst nicht mehr spüre. Dies habe ich auch in London mal wieder erfahren, weswegen die ersten vier Wochen Ruhe und Zeit für mich selbst in Ägypten unangenehm waren. Doch habe ich mich so nach dieser Zeit herbeigesehnt, denn nur die Stille und die Besinnung auf uns selbst hilft uns, alte Wunden zu schließen und uns weiterzuentwickeln. Reisen bringt Dich so nahe zu Dir selbst, dass es Angst macht. Und Du kannst nicht ausweichen! Schließe Frieden mit dem einzigen Feind, den Du je haben wirst: mit Dir selbst.

Ich habe mich während dieser Reise sehr oft für die Zeit mit mir selbst entschieden, um gewisse Erlebnisse zu verarbeiten, Wunden zu heilen und mein gesamtes Leben zu überdenken. Ich habe mir Gedanken über mein Sozialverhalten, meine Zukunftswünsche, meine Freundschaften und meine Beziehung gemacht und die Zeit genutzt, Dinge zu ändern und schlechte Gewohnheiten in gute Gewohnheiten zu verwandeln. Und erst jetzt, nach drei Monaten auf Reisen, ernte ich die Früchte meiner gewollten Isolation, die nur selten von menschlichen Begegnungen durchbrochen wurde. Ich habe diese Auszeit und die intensive Zeit mit mir so sehr gebraucht, dass ich glücklich bin, sie bekommen zu haben, bevor ich im April wieder im Alltagstrott von London verschwinden werde.

Genieße jede Sekunde Deiner heilenden Alleinreise!

3. Du wirst offener für die verschiedensten Menschen

Auch wenn Du gern allein bist, braucht jeder Mensch auf Reisen Kontakte. Diese kannst Du eigentlich auch bei jeder Gelegenheit kennenlernen: während der Anfahrt im Bus, im Hostel oder einfach draußen beim Sightseeing, in Bars oder auf Touren. Da Du alleine bist, kommst Du viel schneller ins Gespräch und bist auch viel offener für alle Arten von Menschen. Ich habe in Kairo beispielsweise einen 23jährigen Kanadier kennengelernt, mit dem ich nicht nur eine super Zeit bis nach Peru hatte, sondern auch viel gelernt habe. Ich habe mich während dieser Reise zwar überwiegend mit mir selbst beschäftigt, doch habe ich mich auch auf interessante neue Kontakte eingelassen, die ich in London so nie treffen würde. In Iquitos in Peru habe ich mit südamerikanischen Hippies gechillt, in Aswan in Ägypten mit zwei rüstigen Rentnerinnen aus New York City und mit einem Einheimischen meines Alters, der mir von seinem komplett anderen Leben in Ägypten erzählt hat. Und es ist wirklich sehr interessant, was die verschiedensten Menschen dieser Welt für Geschichten zu erzählen haben, wie sie denken und was sie empfinden, denn sind wir mal ganz ehrlich: ohne die Reise bleiben wir doch eher unter den Menschen, zu denen wir uns selbst zählen.

Mit demselben Prinzip wirst Du vor Ort übrigens auch schneller Einheimische kennenlernen. Da Du allein bist und die meisten Menschen dieser Welt lieb und neugierig sind, werden Dich viele Menschen ansprechen. Überall auf der Welt wo ich zu Besuch war, stellten Menschen mir allerlei Fragen – selbst, wenn sie kein Englisch konnten: sie nahmen einen Übersetzer zu Hand und tippten, bis die Tasten qualmten. In Peru und China habe ich übrigens so mit einem ganzen Trupp Einheimischer in zwei Clubs gefeiert, denn wer sieht, dass Du allein bist, der lädt dich super schnell an seinen Tisch ein.

Wenn Du Gesellschaft brauchst, wirst Du sie auch als Soloreisende*r immer finden!

4. Schnellere Weiterentwicklung Deiner Persönlichkeit

Wie bereits erwähnt, ist es schwierig, im Alltagstrott große Veränderungen anzustreben. Wer immer nur durchtackert und viel beschäftigt ist, der findet weder die Ruhe, noch die Kraft, sich weiterzuentwickeln. Wie oft haben ich oder meine Freunde in Sinnkrisen gesteckt, weil wir vor lauter Übersättigung und zu vielen Pflichten und Zwängen keine Möglichkeit mehr zur freien Bewegung und zum atmen hatten. Wie oft höre ich von Freunden heute auch vereinzelt immer noch, wie unglücklich sie sind und dass sie keine Ahnung haben, was sie mit ihrem Leben machen sollen. Ich empfehle immer wieder eine längere Reise, nichts anderes. Denn wenn Du reist, dann bricht all das weg: Alltagsstress, Pflichten, Zwänge, unangenehme Situationen und ein zu voller Terminkalender, der keinen Platz für Spaß, Pausen und Entwicklungen lässt.

Der nackte Blick auf Dich selbst wird zunächst wehtun, doch ohne Schmerz gibt es kein Wachstum. Plötzlich findest Du Antworten auf all Deine Fragen und Deine Probleme lösen sich in Luft auf wenn Du realisierst, wie klein und nichtig sie eigentlich sind. Du wirst Dich auf Reisen selbst kennenlernen und Deine Fähigkeiten werden wachsen, da Du Dich an neue Länder, Kulturen und Situationen anpassen musst, um zurechtzukommen. Du wirst unglaublich viele Menschen aus aller Welt mit den verschiedensten Mindsets kennenlernen, was Dich stark beeinflussen wird. Du wirst Deine Stärken und Schwächen genau zu sehen beginnen und kannst daran arbeiten, dass Du die Person wirst, die Du im Innern schon lange bist. Neue Herausforderungen und neuer Input, Abenteuer und ungeplante Situationen werden Dich schneller verändern als ein Jahr am selben Ort. Inzwischen wissen auch Personaler, dass Reisen nicht besoffen im Pool in Thailand herumkrakeelen ist, sondern dass unsere Generation reist, um die Welt zu entdecken. Die Persönlichkeitsentwicklung und die enorme Kompetenz, die Du erlangst, wenn Du (allein)reist, ist vielen Arbeitgebern heute bewusst und daher wirst Du ganz sicher mit einer längeren Reise im Lebenslauf bevorzugt. Ich habe bisher in meinem Londoner Berufsleben nur positives Feedback bekommen.

Du wirst auf Reisen Menschen treffen von denen Du nie gedacht hättest, sie kennenzulernen.

5. Du lernst, Dir selbst 100% zu vertrauen

Einhergehend mit der raschen Persönlichkeitsentwicklung ist die Tatsache, dass Du lernst, Dich 100%ig auf Dich selbst zu verlassen und Dir selbst zu trauen. Da Du niemanden um Rat fragen kannst, musst Du einzig und allein auf Dich hören. Und es ist verdammt schwer, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen! Dies ist ein langer Prozess, der jedoch erlernt werden kann. Wenn Du allein reist, dann musst Du über alles Mögliche nachdenken: Sicherheit, Finanzen, Organisation und vieles mehr. Du kannst niemanden wirklich fragen, da niemand in Deinen Schuhen steckt und somit weißt nur Du selbst, was am besten für Dich ist. Du musst abwägen, ob es sicher genug ist, nachts in Brasilien Bus zu fahren oder ob Du Geld für Souvenirs ausgeben kannst. Du musst lernen, auf Deine innere Stimme zu hören und Dich zu 100% auf Dein Gefühl zu verlassen, um Dich selbst aus unangenehmen oder sogar gefährlichen Situationen zu retten. Dafür musst Du in Kontakt mit Dir selbst sein, was für die meisten Menschen sehr schwierig ist. Doch wenn Du merkst, dass Du mit Deinen Strategien Erfolg hast und sicher bist, dann bist Du schnell stolz auf Dich. Du hast nicht nur gelernt für Dich selbst zu sorgen, Du siehst sogar, dass Du es wirklich kannst. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich und macht Dich stark und selbstbewusst für alles, was Du im Leben noch geplant hast. Auch ich habe auf dieser Soloreise noch mehr Vertrauen in mich entwickelt, sodass ich mich nun so stark fühle wie nie zuvor. Ich bin jetzt bereit für die Challenges, vor denen ich mich im November noch gefürchtet habe wie ein kleines Mädchen.

Bist Du schon einmal allein gereist? Wie war es?

Deine

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Hinweis: alle Bilder dieses Artikels stammen von Pixabay.

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