Wie ich in Melbourne zum Buddhismus konvertiert bin
Nachdem ich 2015 meinen Bachelorabschluss an der Uni Potsdam gemacht hatte, hatte ich endlich Zeit für Dinge, die ich schon ewig einmal angehen wollte. Zwischen Weltreise und meinem Studienende hatte ich glücklicherweise einige freie Monate, in denen ich nicht einmal jobben musste, weil ich den Job endlich an den Nagel hängen durfte. Ich widmete mich nur meinen Modeljobs und meinen Interessen, die im Studium etwas zu kurz gekommen waren. Eine davon war mein Interesse am Buddhismus, denn von allen Religionen der Erde ist sie immer die einzige gewesen, mit der ich mich vollständig identifizieren konnte. Also suchte ich mir ein Buddhistisches Zentrum heraus und verbrachte meine Donnerstage nun mit Besuchen dort. Wir meditierten und sprachen über Buddhismus, die Welt und das Leben. Diese Besuche gaben mir nicht nur Kraft, sondern festigten auch den Entschluss, dass ich weiter in den Buddhismus eintauchen – und sogar konvertieren wollte. Dies habe ich schließlich 2017 in Melbourne machen können, was für mich einer der emotionalsten Momente meines Lebens war. Hier kommt mein Bericht für Dich!
Was ist der Buddhismus?
Der Buddhismus ist eine der großen Weltreligionen, wobei sie sich von diesen aufgrund der Tatsache, dass sie keinen allmächtigen Gott verehrt, maßgeblich unterscheidet. Buddhisten:innen beziehen sich auf Glaubenssätze aus den buddhistischen Lehren und auf umfangreiche philosophisch-logische Überlegungen. Alle Buddhisten berufen sich auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der im 6. Jahrhundert vor Christus in Nordindien lebte. Er war auch bekannt als „der Erwachte“ – was mit Buddha übersetzt wird. Der Titel bezieht sich auf das Erlebnis des Erwachens, was mit „Bodhi“ übersetzt wird. Erwachen meint dabei aber nicht aufwachen und aufstehen, sondern eine fundamentale und befreiende Einsicht für das allgemeine Leben gewonnen zu haben, welche zur Überwindung des Leidens führt. Der Buddhismus hat etwa 300 bis 500 Millionen Anhänger:innen und ist überwiegend in Asien verbreitet. Ende des 19. Jahrhunderts ist der Buddhismus auch in Europa angekommen. In Deutschland gibt es etwa 300.000 Buddhisten:innen, wobei dies nur eine Schätzung ist.
Im Buddhismus gibt es drei Hauptrichtungen: Hinayana, aus dessen Form heute nur noch der Theravada-Buddhismus existiert; Mahayana und Vajrayana, welcher auch bekannt ist als Tibetischer Buddhismus. Der Theravada-Buddhismus bedeutet „die Lehre der Ordens-Älteren“ und geht auf die Mönche zurück, welche die Reden von Buddha noch gehört haben. Seine Tradition bezieht sich daher auf die ältesten Schriften Buddhas. Die Theravada-Richtung legt den Fokus stark auf den Befreiungsweg des einzelnen, der Menschen vom Leiden erlöst. Der Mahayana-Buddhismus ist derweil nicht nur auf das Individuum und dessen Erwachen fokussiert, sondern auf die Erwachung und Leiderlösung aller Wesen auf der Erde. Zum Mahayana-Buddhismus gehören übrigens auch Zen-Schulen. Der Vajrayana-Buddhismus beruht auf den philosophischen Grundlagen des Mahayana, ergänzt diese aber um tantrische Techniken, welche den Pfad zum Erwachen beschleunigen sollen. Tantrische Techniken wären die Visualisierung, das Wiederholen von Mantras und tantrische Übungen.
Die Lehren des Buddhismus
Die vier edlen Wahrheiten
Diese bilden die Grundlagen der buddhistischen Praxis und Theorie. Die vier edlen Wahrheiten sind auch als Dharma bekannt, der Lehre Buddhas. Diese bildet eines der drei Juwelen, die auch als „Zufluchtsobjekte“ bekannt sind und welche aus dem Lehrer, der Lehre und der Lehrgemeinschaft besteht.
Erste edle Wahrheit
Das Leben ist geprägt vom Leiden, dem Dhukka. Dies bezieht sich nicht nur auf Geburt, Altern oder Tod, sondern auch auf das Anhängen an Glück und Menschen, was beides vergänglich ist. Dieser Kreislauf aus endlosem Leiden ist auch als Samsara bekannt. Samsara ist das beständige Wandern im Kreislauf aus Leben und Tod, aus Werden und Vergehen.
Zweite edle Wahrheit
Dieses Leid entsteht oft in Abhängigkeit von Ursachen, welche im Wesentlichen die drei Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung sind.
Dritte edle Wahrheit
Das Leiden kann aufgehoben werden und mit vollständiger Freiheit ersetzt werden.
Die vierte edle Wahrheit
Die Mittel zu der Befreiung liegen in der Praxis der Übungen des Edlen Achtfachen Pfades, welcher im Grunde zu ethischem Verhalten aufruft. Dieser beinhaltet die rechte Erkenntnis, die rechte Absicht, die rechte Rede, rechtes Handeln, rechten Lebenserwerb, rechte Übung, rechte Achtsamkeit und rechte Meditation. Durch die Ausführung dieser Handlungen als recht und gut, kann Leid vermieden werden.
Weitere Begriffe im Buddhismus
Karma
Karma ist uns allen bekannt und uns auch allen schon passiert. Karma bezieht sich auf die Tatsache, dass alles was Du tust, zu Dir zurückkommt, da alles in der Welt miteinander verbunden ist. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip bezieht sich auf alles Tun und Handeln sowie auf Ebenen des Denkens und Fühlens. Je nachdem entsteht gutes und auch schlechtes Karma. Karma erzeugt allgemein jedoch die Folge der Wiedergeburten, also den endlosen Leidenskreislauf, das Samsara. Ziel aller Buddhisten:innen ist, diesem Kreislauf zu entkommen und kein Karma mehr zu erzeugen, sodass Handlungen keine Spuren mehr in der Welt hinterlassen. Dies bezeichnet dann auch den Eingang ins Nirwana, welcher am Ende des Lebens steht.
Das bedingte Entstehen
Bereits im Karma angesprochen wurde die Verbundenheit aller Dinge auf der Welt, welche auch als die bedingte Entstehung verstanden werden kann. Es beschreibt in einer Kette von zwölf miteinander verwobenen Elementen die Seinsweise aller Phänomene des Lebens in ihrer dynamischen Entwicklung und gegenseitigen Bedingtheit. Alles, was ist, hängt miteinander zusammen und bedingt sich gegenseitig.
Bodhi: das Erwachen
Wie schon in der Einleitung angesprochen, ist das Erwachen ein zentrales Ziel von praktizierenden Buddhisten:innen. Voraussetzungen zum Erwachen sind das vollständige Begreifen der vier edlen Wahrheiten und die Überwindung der karmischen Kräfte. Durch Bodhi wird der Kreislauf des Lebens und somit des Leidens verlassen und das Nirwana erlangt.
Nirwana: das Verlöschen
Das Nirwana ist die höchste Verwirklichungsstufe des Bewusstseins, in der jede Anhaftung, welche Leiden verursacht, sowie alle Vorstellungen und Konzepte erloschen sind, die uns leiden lassen. Ins Nirwana gelangen Buddhisten:innen mit Meditation und Achtsamkeit, wobei das Nirwana weder eine Art Himmel ist, noch eine Art Nichts. Es ist ein Bewusstseinszustand, welcher nach dem Tod als Parinirvana bezeichnet wird.
Meditation und Achtsamkeit
Meditation und Achtsamkeit sind notwendige Praktiken, um den Buddhismus zu praktizieren. Hierbei geht es nicht nur um klassische Sitzmeditationen, sondern auch um Atembeobachtungen, Mantra-Rezitationen, Gehmeditationen, Visualisierungen und Meditationen zur Beruhigung und zum Trainieren des Geistes. Bei der Achtsamkeit geht es einfach darum, im Hier und Jetzt zu verweilen und den Geist nicht immer in die Vergangenheit oder Zukunft abschweifen zu lassen. Diese Praktiken führen zu einer Verinnerlichung des Dharma und zu einem besseren Leben, da sich damit auch die mentale Gesundheit verbessert.
Die Konvertierung zum Buddhismus
Wer konvertieren möchte, der nimmt am Ritual der Zufluchtnahme zu. Hierbei wird konkret Zuflucht zu Buddha, zum Dharma (also der Lehre) und zur Sangha (der spirituellen Gemeinschaft) genommen, welche eben die drei Juwelen darstellen. Wer Zuflucht nimmt, der erklärt sich dazu bereit. Den Weg des Buddha zu gehen und seiner Lehre zu folgen. Zufluchtnahme bedeutet auch die Verpflichtung zu den fünf Silas, welche weitere Regeln für das Leben als Buddhist:in sind.
Die fünf Silas beinhalten:
1. Kein Lebewesen zu quälen, zu verletzen oder zu töten
2. Nicht zu stehlen
3. Nicht zu lügen
4. Nicht promiskuitiv zu leben
5. Keinen Drogen- und Alkoholmissbrauch zu betreiben
Zufluchtnahme mit Lama Ole Nydahl
Wer Zuflucht nehmen möchte, der sollte dafür idealerweise einen der Lamas (Lehrer) treffen, um das Ritual durchführen zu können. Alternativ können auch Mönche besucht werden, jedoch ist die Zufluchtnahme bei einem der Lamas das höchste Ziel. Natürlich ist es aufgrund der geographischen Lage nicht gerade leicht, bei einem asiatischen Lama Zuflucht zu nehmen, doch glücklicherweise hat die westliche Welt ihren eigenen Lama: Ole Nydahl. Lama Ole (geboren 1941 in Dänemark) ist ein wichtiger Wegbereiter des Diamantweg-Buddhismus, welcher an den Vajrayana-Buddhismus anknüpft. Er repräsentiert die Lehren der tibetischen Karma-Kagyü-Schule nach Thaye Dorje. Der Diamantweg-Buddhismus richtet sich vornehmlich an Buddhisten:innen aus dem Westen und spielt in Asien kaum eine Rolle. Lama Ole kam 1970 nach einer wilden Zeit in den 1960er Jahren zum Buddhismus und fand darin alles, was er zuvor mit seiner 2007 verstorbenen Frau Hannah in bewusstseinserweiternden Substanzen gesucht hatte. Lama Ole und Hannah wurden in den 1970er Jahren die Schüler des 16. Karmapa Rangjung Rigpe Dorje, welcher der Hauptlinienhalter der Karma-Kagyü-Schule war. Sie lernten und meditierten über drei Jahre lang mit ihm und fingen schließlich an, zusammen die Welt zu bereisen, um über den Buddhismus zu lehren. Lama Ole und Hannah eröffneten mehrere buddhistische Zentren rund um den Globus, hielten Vorträge und Meditationskurse. Lama Ole etablierte sich somit als der Lama der westlichen Welt und er ist auch heute noch trotz seines hohen Alters in der Welt unterwegs.
Lama Ole zu treffen, war für mich einer der emotionalsten Momente meines Lebens. Im Februar 2017 war ich gerade mit meinem Sightseeing in Sydney durch und hörte davon, dass Lama Ole in Melbourne einen Vortrag halten würde. Ich machte Nägel mit Köpfen und fuhr sofort los. Die Strecke von über 1000 Kilometern fuhr ich an einem Stück durch, sodass ich mitten in der Nacht in Melbourne ankam. Gerade rechtzeitig, denn am Abend sollte Lama Ole den Vortrag halten. Was war ich aufgeregt!
Meine Konvertierung in Melbourne
Der Vortrag von Lama Ole war für 19:30 angesetzt. Überpünktlich war ich schon dort und nahm zwischen all den australischen Buddhisten:innen Platz. Es gab Snacks und Getränke und die Stimmung war emotional aufgeladen. Als Lama Ole dann die Bühne betrat, bekam ich ganz weiche Knie. Es folgte ein anderthalbstündiger Vortrag über den Buddhismus und das aktuelle Weltgeschehen. Lama Ole beantwortete Fragen rund um das Leben und Leiden und forderte uns schließlich nach dem Vortrag auf, nach vorne zu kommen, wenn wir konvertieren wollen. Wir stellten uns in einer Reihe vor der Bühne auf und Lama Ole assistierte jedem einzelnen von uns mit unserem Wunsch. Zur Konvertierung legte er seine Stirn auf die Stirn der Person vor ihm und berührte das Kronen-Chakra (auf dem Kopf), das Herzchakra (auf der Brust) und das Sakralchakra (auf dem Bauch). Die Berührung der Chakra-Punkte entsprach der Kernaussage der Zufluchtnahme: ich nehme Zuflucht zu Buddha, ich nehme Zuflucht zum Dharma, ich nehme Zuflucht zum Sangha.
Als ich an der Reihe war, schlug mir das Herz so bis zum Hals vor Aufregung, dass ich befürchtete, dass es jeder hören konnte. Doch Lama Ole konnte mich beruhigen. Seine Haut auf meiner Haut zu spüren, war ein Wahnsinnsmoment, in dem die Zeit stillstand. Er berührte meine Chakren und ich wiederholte innerlich meine Zufluchtnahme. Und dann war es auch schon vorbei! Wie viele andere konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten und weinte vor Freude. Die Energien im Raum waren nun so positiv, dass alle einfach lachten und weinten. Bevor ich das Gebäude verließ, stellte ich mich noch für ein kurzes Dankes-Gebet vor den buddhistischen Altar, dann warf ich einen letzten Blick auf Lama Ole Nydahl und verschwand mit einem großen Lächeln aus dem Gebäude. Ich öffnete die Türen und die laue Luft des Sommerabends umarmte mich wie ein warmes Kleid. Ich schaute zum Abendhimmel und seufzte laut auf. Ich bin nun wahrhaftig eine Buddhistin!
Deine
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