Knallig türkiser See im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.

Nebel wabert über die dunkelgrünen und Tannen bedeckten Berge und ergießt sich malerisch in den kristallklaren und von giftgrünen Gräsern bewachsenen Bach, der plätschernd seinen Weg durch die Landschaft findet. Der Himmel ist grau, es ist kühl und es nieselt leicht, was in mir eine altbekannte Melancholie aus meinen Grufti-Zeiten aufkommen lässt. Die Atmosphäre versetzt mich in Herbstfeeling, wo es einfach nichts Besseres gibt, als mit einem guten Buch und einem Cappuccino auf dem Sofa zu sitzen und dem Herbststurm vor dem Fenster zuzuhören, der Regen gegen die Scheibe prasseln und bunte Blätter aufwirbeln lässt. Doch befinde ich mich nicht in meiner melancholischen Herbstfantasie, sondern im Jiuzhaigou Nationalpark in China. Und das hier ist definitiv das extravaganteste Naturwunder dieser Welt, welches ich bis zum heutigen Tag besucht habe: unverdorben, rein und perfekt, wie Mutter Natur einfach ist.

 

Ein Bachlauf im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.So beginnt meine Wanderung im Jiuzhaigou Nationalpark: wie an einem romantischen Herbsttag im Oktober.

Einzigartig und extravagant: Sichuan’s Perle der Natur 

Der überaus pittoreske Jiuzhaigou Nationalpark, der seit 1992 Weltkulturerbe ist und seinen Namen durch die in den Tälern des Gebietes liegenden, neun Tibetischen Dörfer bekommen hat, liegt im Nordwesten der chinesischen Provinz Sichuan, 440 Kilometer von der Provinzhauptstadt Chengdu entfernt. Der Nationalpark liegt in 2500 Metern Höhe, die Bergspitzen erreichen sogar 4800 Meter. Hier findet sich eine wunderbare Berglandschaft, die eine Vielzahl an Seen und Wasserfällen eingerahmt hat und neben zahlreichen Vogelarten auch Säugetiere wie den Goldstumpfnasen-Affen oder den Großen Panda beherbergt, die ich leider an meinem Wandertag nicht erspähen konnte.

Das Besondere am Jiuzhaigou Nationalpark ist die Farbe der Gewässer: sie sind türkis und glasklar! Ich kann es immer noch nicht fassen, als ich meine Wanderung beginne. Das Türkis ist so knallig, dass ich es bereits aus einem Kilometer Entfernung sehen kann. Es sieht aus wie ein echtes Gemälde und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Wie geil ist das denn! Mir ist, als ob ich einen ganzen Tag durch das Bilderbuch meiner Fantasie laufen kann und dabei auch noch wach bin – das ist besser als jeder Traum! Und neben meinem romantischen Melancholie-Gefühl fühle ich mich auch ein bisschen, als wäre ich zur Kur, denn die Luft hier oben ist unbekannt frisch für eine Großstädterin wie mich, und die Umgebung tut mir so gut, dass ich nicht anders kann, als hier und jetzt glücklich zu sein.

Ein türkisblauer See im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Kein Swimmingpool, sondern ein echtes Naturwunder: die Seen des Jiuzhaigou Nationalpark.

Wie an einem Filmset: Momente außerhalb der Zeit

Meine Wanderung beginnt an einer der Haltestellen, an denen mich der Shuttlebus herauswirft, am höchsten Punkt eines der zwei Wanderwege, um diese danach einfach wieder in Richtung Ausgang abzuwandern. 114 Seen, 47 Quellen, elf Stromschnellen und unzählige Wasserfälle sind über einen ökotauglichen Holzweg miteinander verbunden und perfekt in Englisch und Chinesisch ausgeschildert, sodass Verlaufen praktisch unmöglich ist. Und während ich wandere, lausche ich der Natur, wie sie lebt und einfach perfekt ist: das Rauschen der Stromschnellen im Unterholz, das Knarren der Bäume im Wind, die Totenstille an den atemberaubenden, türkisblauen Seen; kristallklar und so unfassbar ruhig. Ich werde nie vergessen, wie das Gefühl des Momentes war, als ich zum ersten Mal vor einem See dieser Farbe stand. Ich habe mich gefühlt wie ein kleines Kind, was einen Einhornluftballon geschenkt bekommen hat. Wegen Momenten wie diesen werde ich niemals aufhören zu reisen!

Im weiteren Verlauf meiner Wanderung durch den Jiuzhaigou Nationalpark erlebe ich eine stetige Variation der Landschaft: kristallklare, türkisblaue und stille Seen wechseln sich ab mit seicht plätschernde Bächen; von dichten Bergwäldern gesäumt, die zu reißenden Stromschnellen werden – und schließlich gibt es da immer wieder diese Wasserfälle! Der beeindruckendste Wasserfall ist definitiv der Pandasee-Wasserfall (auch bekannt als Xionguashai-Wasserfall), der über drei Stufen knapp 80 Meter in den See stürzt. Manchmal komme ich über die Wanderwege auch inmitten einer mit Tannen, Gräsern und Blumen übersäten Bergwiese heraus, durch die ein kristallklarer Bach plätschert. Die Landschaft ist wie in einem surrealen Filmset – ein Gefühl, welches ich in China schon sehr oft genießen konnte.  Bringen wir es auf den Punkt: China ist wirklich geil!

Jacqui schaut auf einen kristallklaren See im Jiuzhaigou Nationalpark 2016.Stundenlanges Träumen in surrealer Umgebung definiert meinen Nationalpark-Besuch.

Und wo wir gerade bei China sind: die Landsleute machen China natürlich auch zu einem super Erlebnis. Meine zwei Freunde und ich sind die einzigen Europäer im Nationalpark, weswegen sich von Zeit zu Zeit immer wieder Einheimische um uns scharren, um ungefragt mit uns ein Foto zu machen oder um einfach nur Nihao zu sagen. Es gibt wirklich nichts Witzigeres als einen chinesischen Opi, der sich einfach mit seinem Selfie-Stick neben mich stellt und Chinesisch mit mir spricht, bevor er ungefragt Fotos von mir macht!

Chinesen knipsen uns Europäer im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Sightseeing auf Chinesisch bedeutet auch, dass alles und jeder geknipst werden muss.

Kurioses China: Tausendjährige Bäume und selbstkochende Fertiggerichte

Eine Frage brennt mir während meiner langen Wanderung aber immer noch auf der Seele: warum ist das Seewasser denn nun so wunderschön gefärbt? Dem Rätsel bin ich schnell auf die Schliche gekommen: es liegt am Kalkgehalt und dem Vorkommen bestimmter Algen im Wasser. Dadurch können die Seen so wunderbar türkisblau strahlen und kristallklar bis auf den Grund einsehbar sein. Dazu kommt, dass das Seewasser so nährstoffarm ist, sodass organisches Material nicht zersetzt werden kann – der Grund, warum sich so viele tote Bäume auf dem Seegrund tummeln. Diese werden von den Einheimischen übrigens Tausendjährige Bäume genannt. Passend, nicht wahr?

Nachdem ich den halben Tag über die Holzwege gestiefelt und meine Lieblingskünstlerin Mutter Natur bewundert habe, hat mich die Höhenluft ganz schön hungrig gemacht. Doch weil so viele andere Besucher im Nationalpark sind, die sich eigentlich super verteilt haben, ist der größte Rastplatz an einem tiefblauen See, der mit giftgrünen Bäumen umrahmt ist, heillos überfüllt – wie eigentlich alles in China. Sämtliche Plätze sind belegt; einige Familien essen ihre sich selbst erhitzenden Fertiggerichte sogar auf dem feuchten Holzboden. Da bleibt mir wohl nur noch eines: meine Sandwiches auf dem blitzblankgeputzten und ultrasauberen Mülleimerdeckel mit dem Tragebeutel als Unterlage zu schmieren. Ein Glück, dass der Mülleimer nigelnagelneu und gereinigt vom Regen ist, sonst hätte ich mein Mittagessen verschieben müssen.

Wasserfall im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Einmalig schön: einer der zahllosen und pittoresken Wasserfälle in Jiuzhaigou.

Und während ich Sandwiches und Obst genieße, gesellen sich immer mal wieder ein paar Chinesen zu uns, die Fotos machen wollen. Alle Leute schreien wild durcheinander, lachen und rülpsen ungeniert, während sie essen und gleichzeitig rauchen. Ach, was liebe ich China! Alles ist so anders und so witzig! Unterdessen haben sich ein paar Besucher traditionelle Kostüme aus der Sichuan-Region ausgeliehen und machen damit Fotos vor dem See. Selfiesticks müssen für 5.000 Fotos aus jedem Winkel herhalten und selbst die Männer haben keine Scheu, sich in die Klamotten zu werfen und eifrig zu posen. Asien ist der Hammer! Ich bin so glücklich, dass ich hier sein darf, sodass mich jede kleine Anekdote bis zum Rand mit Freude erfüllt. Mein Besuch war der Knaller!

Der Long Lake im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Der Long Lake ist ein einziges Postkartenmotiv und der größte und dunkelste See in Jiuzhaigou.

So planst Du Deinen Besuch im Jiuzhaigou Nationalpark

Von der Provinzhauptstadt Chengdu ins Dorf Jiuzhaigou dauert theoretisch acht Stunden, praktisch eher zwölf. Aber der Nationalpark selbst, die Aussicht aus den Busfenstern, die Busse an sich mit ihrem luxuriösen Interieur und auch die lustigen Eigenarten der Chinesen beim Reisen sind alle zwölf Stunden wert! In Jiuzhaigou angekommen, kannst Du Dich je nach Bedarf ohne Anmeldung in eines der günstigen Gästehäuser einquartieren. Es gibt immer ein Zimmer für Neuankömmlinge!

Wer auf über 2500 Metern an der Höhenkrankheit leiden könnte, ist mit ein paar Kopfschmerztabletten, Obst und viel Wasser auf der richtigen Seite. Wasser kann zur Not auch im Park kostenlos nachgefüllt werden. Aber Achtung: es gibt keine Verpflegung im Park. Alle Speisen müssen selbst mitgebracht werden! Auch warme Kleidung ist empfehlenswert, da es trotz Wandern ziemlich kühl werden kann. Wem das nicht genug ist, der kann noch eine Sauerstoffflasche im Dorf kaufen. Jeder zweite Chinese hatte so ein Ding dabei.

Bergwiesen im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Von der Bergwiese aus den nächsten pittoresken See am Horizont spotten.

Einen Tourguide brauchst Du übrigens nicht wirklich. Der im Eintrittspreis enthaltene Shuttlebus hält an jedem See und fährt alle 15 Minuten. Alle Wanderwege sind perfekt ausgeschildert und einfach zu erreichen. Lediglich etwas mehr Zeit solltest Du einplanen, wenn du gern langsam wanderst: der Nationalpark ist riesig und die Energie eines einzigen Tages reicht kaum aus, wenn Du alle Seen sehen willst. Auch ich habe ein paar Seen auslassen müssen, aber alle Highlights mitgenommen.

Extratipp: Wer Jiuzhaigou im Herbst besucht, wird auf ein grandioses Panorama treffen: schneebedeckte Gipfel, grüne Nadelbäume, Herbstlaub in Rot- und Gelbtönen sowie die türkisgrünen Seen erschaffen hier eine unvergleichliche Szenerie. Der Eintrittspreis liegt in der Nebensaison, die  vom 16. November bis 31. März gilt, auch nur bei 21 Euro (160 CNY) statt den üblichen 40 Euro (310 CNY) in der Hauptsaison, welche vom 01. April bis 15. November läuft. Wenn ich eines Tages wiederkomme, wird es definitiv im Herbst sein!

Stromschnellen im Jiuzhaigou Nationalpark in China 2016.Reißende Stromschnellen machen auch nicht vor der letzten Hütte halt.

Ein chinesisches Sprichwort besagt übrigens, dass jeder, der in Zhangjiajie (Stadt in Hunan) keine anderen Berge und wer in Jiuzhaigou war, keine anderen Seen mehr sehen will. Und während ich total erschöpft, aber glücklich im überfüllten Bus Richtung Ausgang sitze, muss ich mir eingestehen: es ist wahr.

 

Warst Du auch mal im Jiuzhaigou Nationalpark? Oder kennst du einen noch geileren Ort? 

Deine 

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Kommentare:

  • 13. Juni 2017

    Uiui! Den Nationalpark so begeisrt zu schildern, trotz der Menschenmassen, das hat was! Aber sicherlich drängen sich die Touris an einigen Hotspots, und den Rest des Weges hat man für sich.
    Ich war schon 1987 in Jiuzhaigou. Damals war es noch relativ untouristisch. Meine schönen Erinnerungen werde ich nicht mehr auffrischen. Dazu hat es sich dort zu sehr verändert.
    Danke für Deinen Bericht und die schönen Fotos.
    LG
    Ulrike

    Antworten
  • Oli

    13. Juni 2017

    Hi Jacqui,

    ein sehr schöner Bericht. Nur eine kleine Frage habe ich: Bist du sicher, dass es im Nationalpark keine Verpflegung mehr gibt? Als ich dort war, gab es in den Dörfern (also dort, wo du in den Bussen umsteigst) mehrere Restaurants. Ausserdem hatte es immer wieder Läden, wo man Instantnudeln usw. kaufen konnte. Das war zwar alles massiv überteuert, aber vorhanden.

    Ebenfalls war es bei meinem Besuch möglich, auf dem Parkgelände zu übernachten, was ich selber auch gemacht habe. Das war eigentlich mein Highlight, aber ich kann mir vorstellen, dass das so ganz ohne Sprachkenntnisse nicht so leicht zu realiseren ist.

    Viel Spass in China,
    Oli

    Antworten
  • 14. Juni 2017

    Hallo ,

    Dieses Ziel werde ich in China sicher auch noch ansteuern. Freue mich schon jetzt darauf.

    Das chinesische Sprichwort habe ich anders in Erinnerung: Wer in Jiuzhaigou war, will kein anderes Wasser sehen. Wer in Huangshan war will keine anderen Berge sehen.

    Lg
    Thomas

    Antworten
  • 3. März 2018

    Schade, daß Du keinen blauen Himmel hattest. Aber als ich 1973 an den Plitvicer Seen in Kroatien war, war der Himmel auch grau, trotzdem war ich total begeistert, da sind die Seen so ähnlich. Wir waren im Mai 2011 in Jiuzhaigou und erlebten 3 Jahreszeiten an einem Tag (nur der Herbst fehlte wegen der Blätter). Am Ende der Busstrecke im rechten Tal auf 3000 m Höhe hatte es während der Nacht geschneit, aber dann war blauer Himmel. wir blieben kurz und fuhren dann 7 km zurück in den Frühling. Danach wurde es sommerlich. http://www.fotocommunity.de/photo/fruehling-am-pandasee-herbert-josef-klein/25939088
    Übrigens sage ich auch immer China, wenn jemand mich fragt, wo die schönsten Landschaften sind. Man schaut ständig aus dem Bus- oder Bahnfenster, wenn das Wetter mitspielt. 2008 war ich in China ca. 10.000 km und 2011 ca. 15.000 km unterwegs. Bei Yangshuo war ich beide Male und etwa zur gleichen Zeit im Juni. Beim ersten blieb ich zur Visumsverlängerung eine Woche bei schönem Wetter, Beim zweiten ergriffen wir wegen strömendem Regen nach 3 Tagen die Flucht ins fast 40° heiße Chonqing.

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